Zwischen 2018 und 2022 hat sich die Zahl der Whistleblowing-Meldestellen fast verdoppelt. Dies zeigt eine positive und erfreuliche Tendenz in einer im Auftrag der Eidg. Finanzkontrolle erstellten Studie der Fachhochschule (FH) Graubünden. Befragt wurden Bund, sämtliche Kantone und die sieben grössten Schweizer Städte. Whistleblowing wird als ein notwendiges und nützliches Instrument zur Verbesserung der öffentlichen Verwaltung angesehen.
Über die Hälfte der 34 befragten Körperschaften verfügt über eine Whistleblowing-Meldestelle. Beinahe die Hälfte dieser Meldestellen wurde nach 2018 errichtet. Diejenigen Körperschaften ohne Meldestelle geben als Hauptgründe für ihren Verzicht an, dass Probleme bereits direkt gemeldet werden können, eine Meldestelle zurzeit von den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern nicht gewünscht sei oder keine Pflicht zur Einführung besteht. Auch die Existenz einer gesunden Kultur von Compliance und Integrität wurde als Begründung genannt. Ein Drittel der Körperschaften ohne Meldestelle gab an, die Errichtung einer Meldestelle zu erwägen.
Mehrheitlich anonyme Meldungen und öffentliche Rechenschaft
Die Meldestellen sind der jeweiligen Finanzkontrolle, der Ombudsstelle resp. der Staatskanzlei oder der Personalabteilung angegliedert. Für sie bestehen Grundlagen in Verfassung, Gesetz oder Verordnung. In acht Körperschaften gibt es mehr als eine Meldestelle, wobei die Stellen ihre jeweilige Arbeit untereinander meist koordinieren. Eine Pflicht zur Meldung bei rechtswidrigem Verhalten besteht bei einem Drittel der Körperschaften. Die meisten Meldestellen veröffentlichen einen Tätigkeitsbericht ganz oder teilweise und geben damit öffentlich Rechenschaft ab. Die Möglichkeit zur anonymen Meldung besteht bei zwei Drittel der Meldestellen.
Es gibt vielfältige Gründe für Whistleblowing-Meldestellen
Hauptgrund für eine Meldestelle ist die Überzeugung von deren Nutzen und Effektivität. Viele Körperschaften wollen mit einer Meldestelle auch eine offene Kultur etablieren, die Funktionsweise der Verwaltung verbessern oder ihre Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitenden wahrnehmen. Meldestellen nehmen mehrheitlich auch Meldungen von Mitarbeitenden anderer öffentlich-rechtlicher oder subventionierter Einrichtungen sowie von Bürgerinnen und Bürgern entgegen. Meldungen können per E-Mail, Telefon, Post oder im persönlichen Gespräch erfolgen. Jede zweite Meldestelle verfügt über ein webbasiertes Hinweisgebersystem.
Fehlende Anonymität und Instrumentalisierung als Hauptrisiken
Die Hauptrisiken einer Whistleblower-Meldestelle sind deren mögliche Instrumentalisierung und die unzureichende Gewährleistung der Anonymität. Die meisten Whistleblowing-Meldestellen erhalten zwischen einer und zwanzig Meldungen pro Jahr – mit steigender Tendenz. Im Jahr 2022 sind 621 Meldungen bei den Meldestellen eingegangen, 232 davon bei der EFK. Das ist ein Anstieg von 150 Meldungen gegenüber 2020. In drei von fünf Fällen waren die Meldungen nützlich; bei 2 % der Meldungen zeigte sich, dass sie in schlechter Absicht deponiert worden waren und zu einer Instrumentalisierung der Meldestelle geführt hätten. Jede zehnte Meldung war strafrechtlich relevant.
Eine Studie betritt Neuland
Erstmals ist im Auftrag der EFK eine Studie über Whistleblowing-Meldestellen in der Schweizer Verwaltung entstanden. Damit soll Wissen rund um das sensible Thema geteilt und vertieft werden. Die Studienergebnisse sind auch für internationale Organisationen nützlich, welche die Instrumente zur Korruptionsbekämpfung in der Schweizer Verwaltung beurteilen. Die Studie zeigt Merkmale, Bedeutung und Entwicklung des Whistleblowing-Instruments in der öffentlichen Verwaltung auf. Meldestellen der öffentlichen Verwaltung sind noch wenig bekannt. Proaktivere Kommunikation ist gefragt. Die EFK betreibt die Whistleblowing-Meldestelle für die zentrale und dezentrale Bundesverwaltung.
Die Studienergebnisse wurden am 11. Dezember 2023 vor über 40 Leiterinnen und Leitern von Whistleblowing-Meldestellen und Finanzkontrollen durch Prof. Dr. Christan Hauser (FH Graubünden) vorgestellt. Die FH Graubünden hatte bereits bei Unternehmen in vier europäischen Ländern eine ähnliche Studie für die Gesamtwirtschaft durchgeführt.